Gedanken zur Serie „Egos“
Die Egos entwickeln ein Thema weiter, das Thema des Gesichts eines Menschen. Das Antlitz als Ausdruck des Inneren, der Seele, ist ein essentielles Merkmal und Kennzeichen des Menschen, in ihm drücken sich seine Gefühle, seine Befindlichkeit aus: es ist der Abdruck und Spiegel seiner Erfahrungen und Wandlungen. Für mich steht das Gesicht als Symbol für den Menschen, das was ihn ausmacht, für seine Seele, als Spiegel des Inneren und Äußeren. Es zeugt von der Kraft, von der Lebensenergie, die den Menschen durchströmt, welche durch ihn wirkt und die er auch ausstrahlt.
Im Gesicht spiegelt sich jede Emotion wider. Schicht um Schicht, Freude wie Leid wird abgelegt. Die Summe aller menschlichen Erfahrungen ergibt den Ausdruck.
Gesichter drücken die Palette der menschlichen Gefühle aus, positive und negative Erfahrungen, den vermutbaren Zustand einer Befindlichkeit.
Warum also immer wieder das Gesicht?
Das Gesicht – oder besser der Gesichtausdruck eines Menschen – ändert sich ständig. Es zeigt, über einen kurzen Zeitraum, Stimmungen, über einen langen Zeitraum Lebensprozesse, bei denen auch das Unfertige stehen bleiben kann und muss.
Das Gesicht ist das Symbol für den Menschen, das was ihn ausmacht, seine Seele, das Äußere als Spiegel, als Kaleidoskop des Inneren. Die Frage der Identität und die ihrer „Ablesbarkeit“ wird zur zentralen Frage.
Wie bei der Arbeit mit der Kamera, überschreitet man eine Grenze, die Intimität der Gesichtslandschaft wird offenbar. Nicht die äußere Form oder Schönheit ist wichtig, sondern der charakteristische Ausdruck des Menschen – ohne Einsatz jeglicher Retouche. Dadurch wird das Bild einerseits zu einer Form der Dokumentation, andererseits beinhaltet es ein Element des Voyeurismus, die Möglichkeit einer ungeschützten Distanzlosigkeit, ein Eindringen, das so im Normalfall nicht möglich ist.
Die Egos stehen in diesem Zusammenhang in mehrfacher Hinsicht an einer Grenzlinie. Sie bewegen sich auf einem schmalen Grat: einige vermitteln den Eindruck, dass sie erfolgreich eine Position besetzen, unnahbar, teilweise herablassend dem jeweiligen Gegenüber entgegentreten, andere scheinen eine Grenze, ihre Grenze überschritten zu haben, versuchen eine verletzte Seele, die Starre einer inneren Gefangenschaft verbergen oder leugnen zu wollen.
Sie alle bewegen sich auf einem schmalen Grat, und sie scheinen sich dessen bewusst zu sein. Damit konfrontieren sie uns mit uns selbst.
Margit Schuler